Ermittlungen gegen 17 Polizisten Experte: Praxis der Gewalt kann sich verselbstständigen

Gegen Beamte des 1. Frankfurter Polizeireviers laufen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt. Hessens Innenminister Poseck hat personelle Konsequenzen angekündigt.
Am Freitag wurden Vorwürfe gegen 17 Beamtinnen und Beamte des 1. Frankfurter Polizeireviers bekannt. Sie sollen während oder nach Festnahmen selbst gewalttätig geworden sein oder bei Übergriffen weggeschaut haben.
Die Ermittlungen betreffen mutmaßliche Körperverletzung, Strafvereitelung im Amt und die Verfolgung Unschuldiger. Das hessische Innenministerium gab bekannt, dass der Fall zur unabhängigen Bearbeitung ans Landeskriminalamt übergeben wurde.
Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte ein hartes Vorgehen und personelle Konsequenzen an. Der Fall wirft in der Mainmetropole Fragen zum Vertrauen in die lokale Polizei auf.
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Verselbstständigung polizeilicher Gewalt
Der Frankfurter Rechtswissenschaftler Tobias Singelnstein (Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt) erklärt die grundsätzliche Problematik: "Immer dann, wenn polizeiliche Maßnahmen auf andere Art und Weise nicht mehr durchgesetzt werden können, darf die Polizei in verhältnismäßiger Weise Gewalt einsetzen." Dies sei zwar eine Ausnahmebefugnis, gehöre jedoch zum Joballtag. "Und das bringt die Gefahr mit sich, dass sich eine solche Praxis der Gewalt verselbstständigen kann", sagt Singelnstein.
Bei unzulässiger Polizeigewalt kommen verschiedene Ursachen in Betracht. "Das reicht von Fällen, in denen überforderte Beamte vielleicht einen Schlag zu viel setzen, bis hin dazu, dass sich rechtswidrige Gewaltpraxen in Dienstgruppen verselbstständigen", erläutert der Experte.
Ungeschriebener Polizeikodex
Auch Gruppendynamik spielt bei Gesetzesübertritten von Polizisten oft eine Rolle. Eine Dienstgruppe schafft engen sozialen Zusammenhalt im Polizeialltag. "Es gibt so eine ungeschriebene Regel, dass man im Prinzip den Kollegen und Kolleginnen nicht in den Rücken fällt, auch wenn sie vielleicht etwas falsch gemacht haben", führt Singelnstein aus.
Der Kriminologe beobachtet mittlerweile eine größere Sensibilität beim Thema Polizeigewalt. Die intensive öffentliche Debatte der vergangenen Jahre habe zu einem stärkeren Problembewusstsein in der Polizei geführt.
Entnormalisierung von Polizeigewalt
Generell wichtig sei eine "Entnormalisierung" von Gewalt innerhalb der Polizei – selbst wenn sie zum Alltag gehört. Regelmäßige Fortbildungen, Supervision und Reflexion sollten für Beamte zur Pflicht werden.
Bei Fehlverhalten oder unzulässiger Gewalt ist die Sache für Singelnstein klar: "Das sind einfach Straftaten, die intern nicht geduldet werden dürfen und es auch nicht goutiert werden darf, wenn Leute gedeckt werden."
- Nachrichtenagentur dpa
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