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Frankfurt am Main

Krieg in der Ukraine: "Wir sind die Lautsprecher Frankfurts"


Krieg in der Ukraine
"Wir sind die Lautsprecher Frankfurts"


25.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Demonstranten mit Plakat: Viele Letten solidarisieren sich mit der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Demonstranten mit Plakat: Viele Letten solidarisieren sich mit der Ukraine. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)
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Bangen im Baltikum – werden die Länder an der Ostsee als Nächstes von Russland angegriffen? Die lettische Community in Frankfurt ist besorgt

Wird es als Nächstes das Baltikum treffen? Nach der russischen Invasion auf die Ukraine scheint nichts mehr ausgeschlossen. Zum Schutz wurden bereits die Nato-Truppen in Estland, Lettland und Litauen verstärkt, doch die Situation ist ungewiss. Auch in Frankfurt sorgen sich viele Menschen mit baltischen Wurzeln um ihre Freunde und Verwandten vor Ort. Einer von ihnen ist Naum Gußinsky.

Er wurde 1993 in Riga (Lettland) geboren. Als Sohn russischer Eltern lebt er seit seinem vierten Lebensjahr in Deutschland und bezeichnet sich selbst als "in Lettland geborener Russe". Er steht bis heute in engem Kontakt mit ehemaligen UdSSR-Bürgern in Lettland, die eine komplizierte Beziehung zu ihrer Heimat haben. "Niemand vor Ort wünscht sich einen Angriff durch Putin auf Lettland. Allerdings ist die Situation für ehemalige UdSSR-Bürgerinnen und Bürger in Lettland bis heute schwer", sagt Gußinsky zu t-online.

In Estland und Lettland werden Ex-Sowjetbürger systematisch benachteiligt, vor allem russischsprachige. Nach der Unabhängigkeit der baltischen Staaten 1991 erhielten sie den Status der "Nichtbürger" – sie dürfen nicht wählen, sie dürfen keine Beamten, Polizisten und Armeeoffiziere werden und auch viele andere Berufe im öffentlichen Dienst nicht ausüben. Im Gegensatz zu lettischen Bürgern sind den Nichtbürgern visafreie Reisen in eine Reihe von Ländern nicht möglich.

Naum Gußinsky wanderte 1997 nach Frankfurt aus

Trotz andauernder Mahnung der EU, die Diskriminierung von Ex-Sowjetbürgern zu beenden, dauert die Situation bis heute an. Deswegen entschieden sich Naum Gußinsky und seine Eltern 1997, nach Bad Vilbel bei Frankfurt auszuwandern.

Der 28-Jährige verurteilt die russische Aggression aufs Schärfste, sieht aber trotzdem, warum viele Ex-Sowjetbürger in Lettland dem Konflikt gespalten gegenüberstehen: "Wer mit dem Schmerz der UdSSR aufgewachsen ist und bis heute kein Wahlrecht in seiner eigenen Heimat hat, wünscht sich Veränderung", sagt Gußinsky.

In Lettland lebten am 1. Januar 2020 insgesamt 216.682 Nichtbürger, das sind 10,4 % aller Einwohner. Fast alle von ihnen sind frühere Sowjetbürger, davon etwa zwei Drittel ethnische Russen.

Die Situation im Baltikum ist angespannt: Estland, Lettland und Litauen solidarisieren sich mit der Ukraine. Zwei der größten Einzelhändler haben nach dem russischen Angriff ihr Sortiment geändert. Die beiden in den baltischen Ländern tätigen Supermärkte teilten mit, den Handel mit in Russland hergestellten Produkten auszusetzen.

Lettinnen und Letten als "Lautsprecher Frankfurts"

Lettlands Präsident Egils Levits hat sich für noch weitgehendere westliche Strafmaßnahmen gegen Russland ausgesprochen. Die vereinbarten Sanktionen seien sehr stark und würden negative Auswirkungen auf die russische Wirtschaft und die militärischen Fähigkeiten haben, sagte er am Freitag im lettischen Fernsehen. Doch müsste Moskau seiner Ansicht nach wegen des Einmarschs in die Ukraine mit allen möglichen Sanktionen belegt werden.

Zudem wurde bereits die Ausstrahlung von mehreren russischen Fernsehsendern in Estland und Lettland verboten. Begründet wurde die Entscheidung mit der Ausstrahlung der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 24. Februar durch fünf Sender, die als Rechtfertigung des militärischen Angriffs auf die Ukraine angesehen werden könne. Damit sei gegen das Verbot der Anstiftung zu einer Straftat verstoßen und die öffentliche Sicherheit untergraben worden.

Die Länder an der Ostsee wollen sich nicht von Russland infiltrieren lassen. Lettland nimmt die genaue Darstellung der Fakten sehr ernst und ruft über eine Mitteilung des lettischen Außenministeriums alle im Ausland lebenden Lettinnen und Letten auf, gegen mögliche Desinformationen vorzugehen. "Wir sind sozusagen die Lautsprecher in Frankfurt", so Mārīte Kļaviņa-Pönsgen, Vorsitzende der Lettischen Gesellschaft in Frankfurt.

Gegen russische Desinformationen

Der Verein setzt sich gerade aktuell verstärkt für Aufklärung ein und möchte damit vor allem diejenigen erreichen, die laut Kļaviņa-Pönsgen in einer "falschen Informationsblase" leben.

"Wir sind menschlich empört über den russischen Angriff in der Ukraine. Die rund 200 aktiven Mitglieder unserer Gesellschaft in Frankfurt solidarisieren sich mit den Ukrainerinnen und Ukrainern und bieten ihre Unterstützung an," sagt die Vorsitzende. Natürlich mache auch sie sich Sorgen um ihre Familie in Lettland.

Am 19. März wird Herr Mārtiņš Hiršs (Ph.D. in Politics, Associated Scholar at Center for European Policy Analysis) in Frankfurt einen interaktiven Vortrag für die in Frankfurt und Umgebung lebenden Letten unter dem Namen „Lettlands Kampf gegen Desinformation“ leiten. Der Vortrag wird in lettischer Sprache auch live übertragen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Naum Gußinsky und Mārīte Kļaviņa-Pönsge

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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