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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rassismus-Vorwürfe an Ukraine-Grenze "Alle Menschen müssen diskriminierungsfrei geschützt werden"
Werden schwarze Menschen bei ihrer Flucht aus der Ukraine aus rassistischen Gründen zurückgewiesen? Während
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben bereits mehr als eine Million Menschen das Land verlassen – unter ihnen auch zahlreiche schwarze Geflüchtete und Menschen of Color.
In sozialen Medien machten am Wochenende Videos mit Szenen an der polnisch-ukrainischen Grenze die Runde, die für Empörung sorgten. Die Videoaufnahmen unter den Hashtags #AfricansinUkraine oder #IndiansinUkraine zeigen Gruppen von schwarzen Schutzsuchenden und Menschen of Color, die warten müssen, während weiße Menschen passieren dürfen. Mehrere afrikanische und indische Studierende berichten von Rassismus an der Grenze.
Auch Mirrianne Mahn, Frankfurter Stadtverordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, teilte die Videos von Betroffenen auf ihren sozialen Netzwerken. "Es ist eine schreckliche Situation, die durch Rassismus noch viel schlimmer gemacht wird", sagt Mirrianne Mahn zu t-online. "Es werden Maschinenpistolen auf Schwarze Menschen gerichtet und es wird ihnen gedroht, auf sie zu schießen, falls sie nicht in die Ukraine zurückkehren", so Mahn.
1989 in Kamerun geboren, aufgewachsen im Hunsrück, wohnt Mirrianne Mahn heute in Frankfurt. Als Referentin für Diversitätsentwicklung engagiert sie sich für Sichtbarkeit von Rassismus. In einer dreiteiligen Story auf Instagram schilderte sie am Sonntag die Situation für Geflüchtete of Color aus der Ukraine. Es gehe ihr vor allem darum, die Lebensrealität von schwarzen Menschen zu zeigen, die permanentem Rassismus ausgesetzt sind.
Der polnische Grenzschutz dementiert die Vorwürfe
Der polnische Grenzschutz weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Entsprechende Berichte in sozialen Medien seien "Unfug", sagte eine Behördensprecherin am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Die Beamten des polnischen Grenzschutzes helfen allen Menschen, die aus dem Kriegsgebiet der Ukraine fliehen." Auch die Außenministerin des westafrikanischen Staates Ghana, Shirley Ayorkor Botchwey, sagte am Montag, dass Studenten aus ihrem Land bisher keine Probleme bei der Ausreise hatten. t-online berichtete.
Es geht allerdings nicht alleine um die Frage, ob Menschen of Color aus dem Land ausreisen dürfen – sondern darum, welche Erfahrungen sie dabei, im Vergleich zu weißen Geflüchteten, machen.
"Rassismus existiert nach wie vor in unseren Köpfen. Auch polnische Grenzpolizisten sind davor nicht gefeit", so Mahn. Sie fordert von der Bundesregierung, dass die Bekämpfung von Rassismus höher priorisiert werden müsse: "Die rassistische Behandlung an den Grenzen macht es für die Betroffene noch schwerer – auch sie verlieren gerade ihre Heimat und müssen vor dem russischen Angriffskrieg fliehen."
Mahn erhielt Kritik von Parteikollegen
Für ihre Social-Media-Beiträge erntete Mahn Unterstützung sowie harsche Kritik – auch von ihren Parteikollegen. "Das ist für mich leider nichts Neues. Als Schwarze Frau erlebe ich täglich rassistische Anfeindungen – auch im Frankfurter Römer", erklärt Mahn.
Für die Stadtverordnete bleibt vor allem die Frage, warum in Bezug auf ukrainische Geflüchtete plötzlich ein unbürokratischer Weg möglich ist, der Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan verwehrt gewesen sei:
"Ich möchte das Leid anderer auf keinen Fall gegeneinander aufwiegen – was gerade in der Ukraine passiert, ist schrecklich und es ist gut zu sehen, dass wir imstande sind, schnell und problemlos Hilfe zu leisten. Allerdings dürfen wir danach nicht wieder in eine kollektive Amnesie verfallen. Diese Art von Geflüchtetenhilfe muss der Standard sein – alle Menschen müssen diskriminierungsfrei geschützt werden", so Mahn.
Am Dienstag wurden die ersten 15 Geflüchteten aus der Ukraine in Frankfurt aufgenommen. Die Stadt bezeichnet sich selbst als einen Ort der verschiedenen Kulturen. Dass Frankfurt bislang nicht als "sicherer Hafen" von der Organisation "Seebrücke" gelistet wird und auch die ausstehende Ächtung des N-Worts tragen allerdings nicht zu diesem Image bei.
Mahn appelliert vor allem an weiße Menschen zuzuhören und Rassismus sichtbar zu machen. In den letzten Tagen unterstützte sie die Hilfsaktion von Motsi Mabuse und ihrem Ehemann Evgenij Voznyuk, die Hilfstransporte ins ukrainische Grenzgebiet organisieren. Zudem teilt sie die Social-Media-Beiträge von Betroffenen.
- Gespräch mit Mirrianne Mahn
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa
- Stadt Frankfurt am Main: Erste Geflüchtete aus der Ukraine in Frankfurt