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Frankfurt am Main

Frankfurt Bahnhofsviertel: Crack-Zentrum geplant – Experte über Drogenhilfe


Geplantes Crack-Suchtzentrum
"Als ob etwas im Gehirn explodieren würde"


13.05.2025 - 16:17 UhrLesedauer: 5 Min.
Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes (DND), gehört zu den Kennern der Frankfurter Drogenszene. In seiner Einrichtung können Abhängige übernachten und Hilfe in Anspruch nehmen.Vergrößern des Bildes
Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes: Er soll in der speziellen Drogenhilfeeinrichtung eine leitende Rolle übernehmen. (Quelle: Boris Roessler/dpa/picture alliance/dpa)
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In Frankfurt soll ein Drogenhilfezentrum für Crack-Süchtige entstehen. Es gibt Kritik von Eigentümern, Anwohnern und aus der Politik. Wolfgang Barth, der das Zentrum mutmaßlich leiten wird, erklärt, warum die Hilfe dringend gebraucht wird.

Die Stadt Frankfurt plant eine neue Einrichtung am Rande des Bahnhofsviertels in der Niddastraße 76. Dort sollen für Süchtige Konsum- und Ruheräume entstehen, wo sie auch medizinische Hilfe und psychosoziale Beratung erhalten. Ziel ist es, Betroffene von der Straße zu holen und das Viertel zu entlasten.

Doch das Vorhaben ist umstritten. Eine Eigentümerinitiative protestiert, Anwohner äußern Sorgen, die mitregierende FDP lehnt das Projekt ab. Ob die Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Grüne) dafür eine Mehrheit im Magistrat bekommt, ist offen.

Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes in der Elbestraße 38, soll im geplanten Zentrum eine führende Rolle einnehmen. Im Interview spricht er darüber, warum Crack aus seiner Sicht eine neue Qualität der Sucht darstellt. Er benennt die Ziele des Zentrums und sagt, was er von der Debatte um die Pläne hält.

t-online: Herr Barth, im und am Bahnhofsviertel gibt es drei Konsumräume für Drogenabhängige. Warum braucht Frankfurt nun ein Crack-Suchtzentrum?

Wolfgang Barth: Wir haben genügend Konsumplätze für den intravenösen Konsum im Bahnhofsviertel. Wir sind seit 1989 hier in der Elbestraße und in den Jahrzehnten hat sich doch vieles verändert, was die Strukturen der offenen Drogenszene betrifft. Wir waren zum damaligen Zeitpunkt auch dafür verantwortlich, dass es zu einer Auflösung der offenen Drogenszene in der Taunusanlage kam. Wir mussten hier eine Alternative einrichten für einen Personenkreis, der zu nahezu 100 Prozent Heroin als Haupt- und Leitdroge hatte. Das hat sich deutlich verändert.

Und wie?

Es gibt neue Konsummuster in der offenen Drogenszene. Und damit meine ich in erster Linie das Problem Crack. Nahezu alle Personen, die sich hier dauerhaft aufhalten, sind dazu übergegangen, Crack als ihre Hauptdroge zu sehen. Und für diesen Personenkreis, der bei einem dauerhaften, unkontrollierten Konsum von Crack entsprechende Verhaltensweisen erzeugt, müssen wir geeignete Hilfsangebote und Maßnahmen in einem größeren Umfang bereitstellen.

Welche Maßnahmen sind das? Und was sollen sie bringen?

Der Stadt Frankfurt ist jetzt ganz klar daran gelegen, dass es zu einer Veränderung in der offenen Drogenszene kommt, dass es zu einer Veränderung des Konsums in der Öffentlichkeit kommt. Was man im Moment beobachten kann, ist, dass überall auf den Straßen, in Hauseingängen, an jeder Straßenecke, in Passagen Crack konsumiert wird. Das soll in Zukunft versucht werden zu reduzieren oder unter Umständen ganz aufzuheben. Der Drogenkonsum soll an einen alternativen Ort verlegt werden, an dem die Süchtigen vor allem auch weitreichende Hilfsangebote bekommen, die sehr komplex sind.

Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes (DND), gehört zu den Kennern der Frankfurter Drogenszene. In seiner Einrichtung können Abhängige übernachten und Hilfe in Anspruch nehmen.
Wolfgang Barth (Quelle: Boris Roessler/dpa/picture alliance/dpa)

Zur Person

Wolfgang Barth ist Diplompädagoge und leitet den Drogennotdienst des Frankfurter Vereins "Jugendberatung und Jugendhilfe" (JJ) in der Elbestraße 38. Das Krisenzentrum ist seit 1989 im Bahnhofsviertel aktiv und bietet Überlebens- und Akuthilfe für schwer drogenabhängige Menschen. Der Träger JJ soll auch das geplante Crack-Suchtzentrum in der Niddastraße betreiben. Bei dessen Eröffnung soll der Standort in der Elbestraße schließen.

Denken Sie, das werden Suchtkranke annehmen und extra in die Niddastraße 76 gehen, statt auf der Straße zu konsumieren?

Das sind Prognosen, die von verschiedenen Faktoren abhängig sind, die wir heute noch nicht einbeziehen können. Es ist in erster Linie Aufgabe der Sozialarbeit, von Streetworkern, Mitarbeitern der Einrichtung und der Polizei gemeinsam, die Personen in der Öffentlichkeit anzusprechen und sie zu motivieren, dieses Hilfsangebot in Anspruch zu nehmen.


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Man ist für einen kurzen Moment in einem Zustand, als ob etwas im Gehirn explodieren würde.


Wolfgang Barth


Es geht in erster Linie um die Crack-Abhängigen. Sie sprachen eben von bestimmten Verhaltensweisen dieser Konsumenten. Welche meinen Sie?

Ein Heroinkonsument ist nach dem Konsum in einem Zustand, der für ihn befriedigend ist. Der Konsum von Kokain und Crack erzeugt eine gegenteilige Wirkung: Man ist für einen kurzen Moment in einem Zustand, als ob etwas im Gehirn explodieren würde. So sagen mir das wiederholt einzelne Konsumenten. Es ist ein Zustand, der dich in einen extremen Moment der Unruhe versetzt, der dann aber übergeht in eine Verhaltensweise, die heißt: Ich bin der Größte.

Diese Zeitspanne beträgt höchstens fünf bis sechs, sieben Minuten, dann ist man wieder zurück in der Realität. Dieser Zustand hat ausgereicht, um sich selbst danach zu sagen: Ich möchte ihn baldmöglichst wieder erleben.

Was macht das mit den Konsumenten?

Die psychische Abhängigkeit ist weitaus größer als bei Heroin und vor allem auch diese einfache Form der Applikation. Man legt da zwei Steine auf eine kleine Pfeife und hält das Feuerzeug drüber, zieht zwei-, dreimal tief ein und schon ist der ganze Konsumvorgang beendet. Das führt dazu, dass der Abhängige, der dauerhaft konsumiert, den Bezug zum normalen Alltagsverhalten verliert.

Wieso?

Man kann mit Kokain und Crack 24 Stunden, 30 Stunden und noch mehr ununterbrochen unterwegs sein, bis zu einem Zeitpunkt, an dem der Körper reagiert und sagt: Stopp, jetzt kann ich nicht mehr. Wir haben immer wieder Menschen erlebt, die Tag und Nacht ununterbrochen den Steinen hinterhergerannt sind. Die stehen morgens um sechs Uhr bei uns vor der Haustür, wenn wir unseren Konsumraum öffnen, und sind völlig übermüdet.

Was heißt das praktisch für die Suchthilfe?

Darauf haben wir reagiert und unsere Übernachtungseinrichtung auch tagsüber geöffnet. Auch das sind dann die weiteren Hilfeangebote, Übernachtungseinrichtungen und Tagesruhebetten in erweitertem Umfang für diesen Personenkreis.

Und die soll es unter anderem auch im neuen Suchtzentrum geben. Wie sieht es aus mit Aggressivität seitens der Konsumenten? Ist das für die Sozialarbeiter eine Herausforderung?

Die Aggressivität ist nicht eine unmittelbare Folgeerscheinung des Konsums. Aggressivität entsteht, wenn der Mensch spürt, dass er so unruhig ist, so getrieben, dass ihm der Schlaf fehlt, dass er einfach nicht mehr zu einer gewissen Ausgeglichenheit kommt. Wenn das dann zu Konflikten führt, dann kann sich das auch in Form eines aggressiven Verhaltens äußern. Aber das ist Aufgabe der Sozialarbeit, rechtzeitig einzugreifen. Ein ganz simples Beispiel ist es, zu sagen: Es wäre doch besser, du würdest dich jetzt erst noch ein paar Stunden hinlegen und ausschlafen, dann bist du wieder in einem besseren Zustand.

Eine weitere Sorge, die man aktuell hört: Mit den Crackkonsumenten könnten auch die Dealer in die Nähe des Suchtzentrums kommen. Halten Sie das für wahrscheinlich?

Das glaube ich nicht. Denn dafür ist dieser Bereich um die gesamte Liegenschaft herum viel zu beruhigt. Anders, als es im Getümmel des Rotlichtmilieus, mit all seinen unterschiedlichen Einrichtungen, möglich ist. Rund um die Niddastraße 76 würde das sehr schnell auffallen. Das ist die Aufgabe der Sozialarbeit und der Polizei, sofort darauf zu reagieren.

Die Drogen werden ja heutzutage eher nicht mehr auf den Straßen verkauft, sondern in Lokalen.

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Ja. Das sind die Spielhallen, das sind diese Kaschemmen, die es hier im Bahnhofsviertel gibt. Dort findet der überwiegende Anteil von Verhandlungen und Verkauf auch statt.

Und wie sieht es mit dem Dealen rund um aktuelle Konsumräume aus?

Wir haben von Anfang an ganz klar hier auch nach außen deutlich gemacht, dass wir ein solches Dealerverhalten nicht dulden. Zu uns kommen aktuell aktiv konsumierende Personen. Sie kommen und bringen ihre Substanzen mit, die sie zuvor erworben haben müssen.


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Wenn Bedenken geäußert werden, dann ist das immer nachvollziehbar.


Wolfgang Barth


Wie nehmen Sie die Debatte um das geplante Suchtzentrum wahr? Wird sie sachlich geführt oder geht es da auch um Ängste?

Wenn Bedenken geäußert werden, ist das immer nachvollziehbar. Das ist ein Prozess, den wir nicht nur hier in Frankfurt kennen, sondern in jeder anderen Stadt auch. Wenn es um neue Hilfsangebote für diese Zielgruppe geht, reagiert die Nachbarschaft. Das war auch zu erwarten, für einen Bereich direkt an der Peripherie des Bahnhofsviertels.

Die Politik und auch die Drogenhilfe schulden der Öffentlichkeit und den in der Nachbarschaft betroffenen Personen eine differenzierte Aufklärung. Da wird es, denke ich, auch weiterhin interessante und auch neue Formen von Diskussionen geben, die allerdings ruhig, differenziert und sachlich geführt werden müssen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Wolfgang Barth, Leiter des Drogennotdienstes in der Elbestraße 38, Jugendberatung und Jugendhilfe e.V. (JJ)
  • Eigene Recherche
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