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Frankfurt am Main

Gewalt, Müll und Lärm in Frankfurt Alt-Sachsenhausen: Anwohner wehren sich


Alt-Sachsenhausen
Anwohner im Partyviertel: "Wenn man dort lebt, dreht man durch"


08.04.2025Lesedauer: 3 Min.
Ein Polizeiauto steht in Alt-SachsenhausenVergrößern des Bildes
Ein Streifenwagen in Alt-Sachsenhausen (Archivbild): Anlieger beklagen die Situation im Vergnügungsviertel. (Quelle: Andreas Arnold/dpa)
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Alt-Sachsenhausen ist berühmt für Apfelwein, enge Gassen und ausgelassene Feiern. Doch eine Anwohnerinitiative beklagt Lärm, Gewalt und eine negative Entwicklung im Viertel.

Die Anliegerinitiative Alt-Sachsenhausen kritisiert die Zustände im gleichnamigen Frankfurter Ausgehviertel. Ihren Angaben zufolge hat sich das Viertel in den vergangenen drei Jahren zunehmend zu einem Ort der Verwahrlosung entwickelt – mit hoher Lärmbelastung, wachsender Gewalt und mangelnder Kontrolle durch die Behörden.

Oliver Tamagnini ist Gründer der Anliegerinitiative Alt-Sachsenhausen. Dazu gehören Anwohner, Gastronomen und Hotelbetreiber. Er sagt über den Party-Stadtteil: "Man liest Schlimmes, aber wenn man dort lebt, dann dreht man durch". Tamagnini, ein Fotograf, der seit elf Jahren in Alt-Sachsenhausen lebt, beobachtet die Entwicklung im Viertel. Hier, wo es schon seit 150 Jahren eine klassische Ausgeh- und Speisegastronomie gibt, haben sich laut Tamagnini immer stärker die lauten Bars durchgesetzt: "Das ist Ballermann", sagt er. "Wir haben eine Reihe von Gastronomen, da ist Lärm Teil des Konzepts."

"Schlaf ist unmöglich"

Gemeint sind Lokale, die die Fenster und Türen offen halten und die Straße beschallen. "In erster Linie laute Trashmusik", sagt Tamagnini. Nach Angaben der Initiative liegt der nächtliche Lärmpegel auf den Straßen oft bei über 93 Dezibel. In den Wohnungen seien sogar bei geschlossenen Fenstern über 55 Dezibel gemessen worden. "Schlaf ist an den Wochenenden für viele Anwohner faktisch unmöglich geworden", heißt es von der Initiative. Auch Tamagnini könne an den Wochenenden kaum noch zu Hause schlafen.

Seitens der Barbetreiber stoße er auch auf Verständnis – doch diese befürchteten einen Wettbewerbsnachteil, wenn sie die Musik plötzlich leiser drehten als die Konkurrenz.

Einige Nachbarn seien bereits weggezogen, sagt Tamagnini, betont auch, dass es sich nicht um ein Anliegen von Gentrifizierern handle. "Viele Leute, die dort leben, können gar nicht woanders hinziehen." Die Mieten in Alt-Sachsenhausen seien deutlich niedriger als in anderen Teilen der teuren Stadt.

Ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) im Januar sei bereits gut verlaufen. "Er hat sich dessen angenommen und Sachen in die Wege geleitet", sagt Tamagnini. Nun erwarte die Initiative für Mitte April neue Maßnahmen.

Gefährliche Mischung auf der Amüsiermeile

Nicht nur die Lautstärke mache den Anwohnern im Viertel zu schaffen. Tamagnini sagt: "Es ist ein Haufen von Menschen, der Dampf ablassen muss. Es gibt günstigen Alkohol, laute Musik und viele Menschen auf der Straße." Für den Fotografen ist das eine gefährliche Mischung.

Laut Polizei wurden allein zwischen Januar und Oktober 2024 86 Körperverletzungen im Viertel registriert. Der für das Viertel verantwortliche Ortsbeirat 5 betonte jüngst in einem Antrag, dass das für die Fläche ein auffallend hoher Wert sei. Der Ortsbeirat fordert vom Magistrat zu prüfen, ob eine Sperrstunde ab drei Uhr morgens sinnvoll wäre – denn gerade in den Stunden danach häuften sich die Straftaten.

Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller schlägt angesichts von Schlägereien und Gewalttaten im Viertel für die Wochenenden eine Videoüberwachung vor. Vorbild: Die Kameras im Bahnhofsviertel. Die Polizei zählt Alt-Sachsenhausen als "Brennpunkt." Seit Anfang 2025 gelten die Paradiesgasse, Klappergasse sowie Große und Kleine Rittergasse zudem als Waffenverbotszonen. Die Polizei ist jedes Wochenende zentral in Alt-Sachsenhausen präsent.

"Kotze, Kot und Urin"

Zudem konsumiert die Partyszene Frankfurts zunehmend Lachgas. Beliebt ist die Droge vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es gibt Kioske, die gezielt Lachgas verkaufen. Am Morgen nach einer Partynacht liegen oft zahlreiche leere Lachgas-Behälter auf den Straßen. Die Stadt plant ein Verkaufsverbot für Lachgas an Jugendliche.

Viele Hauseingänge würden regelmäßig als Toiletten missbraucht, die Fußgängerzone werde zugeparkt, Müll liege auf den Straßen. Und für die Anwohner bleibt übrig, was die Stadtreinigung nicht beseitigt: "Kotze, Kot und Urin an Hauswänden – das macht das FES nicht weg, das müssen wir selbst", sagt Tamagnini.

Die Initiative wirft den Behörden vor, trotz zahlreicher Beschwerden nicht zu handeln. Während massive Verstöße gegen den Lärmschutz stillschweigend geduldet seien, würden einzeln geäußerte Hilferufe von Anwohnern ignoriert.

Die Anwohnerinitiative fordert vor allem, dass der Lärm auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Dazu sollen Gaststätten isoliert werden und die Türen bei laufender Musik geschlossen bleiben. Die Initiative fordert, dass die Behörden Lärmlimits durchsetzen, insbesondere nach 22 Uhr.

Die Landespolizei sei zwar stets vor Ort, aber nicht dafür verantwortlich, Lärmlimits durchzusetzen. Und das Ordnungsamt habe an Wochenenden oftmals nicht das Personal, um auf Anrufe zu reagieren, sagt Tamagnini.

Gleichgewicht zwischen Feiern und Wohnen

Hinter der Anliegerinitiative Alt-Sachsenhausen stehen nach eigenen Angaben nicht nur Anwohner, sondern auch Hoteliers und Gastronomen, die sich selbst durch die aktuellen Entwicklungen beeinträchtigt sehen. Ihr Ziel sei nicht das Ende der Kneipenkultur, sondern ein Gleichgewicht zwischen Feiern und Wohnen. "Nur wenn wir alle unsere Stimmen vereinen, können wir den nötigen Druck aufbauen, um die Verantwortlichen zum Handeln zu bewegen", heißt es.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • www.altsachsenhausen-initiative.de: Mitteilungen der Anliegerinitiative Alt-Sachsenhausen, abgerufen am 7. April 2025
  • Gespräch mit Gründer der Initiative Oliver Tamagnini
  • Ortsbeirat 5: Anregung an den Magistrat vom 21.02.2025
  • Polizeiliche Kriminalstatistik 2025

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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