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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Debatte um Crack-Suchtzentrum Anwohner erbost: "Wir werden dagegen vorgehen"

Das geplante Crack-Suchtzentrum am Bahnhofsviertel stößt auf viel Widerstand. Stadträtin Elke Voitl (Grüne) stellt sich Anwohnern und erntet Kritik – aber auch Zuspruch.
Es ist das aktuell wohl umstrittenste Thema der Frankfurter Lokalpolitik: das geplante Crack-Suchthilfezentrum am Rande des Bahnhofsviertels. Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Grüne) hat Anwohnern und interessierten Bürgern am Montag die Pläne für das Hilfszentrum vorgestellt. Dabei äußerten zahlreiche Teilnehmer im Haus am Dom ihre Sorgen und ihren Unmut über die Pläne.
Voitl sagte zu Beginn, das Zentrum in der Niddastraße 76 sei notwendig, um auf die Veränderungen in der Drogenszene zu reagieren. Das Hilfezentrum werde schwerstkranke Drogenabhängige von der Straße holen, so die Stadträtin, und weiter: "Wir werden ihr Überleben sichern an diesem Ort."
Voitl: "Rechtsgutachten stoppt uns nicht"
Eine Zuschauerin fragte Voitl, wie sie zum Rechtsgutachten stehe, das Gegner des Zentrums vorgelegt hatten. Die Anwälte der Kanzlei FPS argumentieren darin, dass das Zentrum gegen Vorschriften verstoße und nicht zu genehmigen sei. Voitl sagte, es werde rechtlich aktuell noch ausgewertet, sie sei aber optimistisch, dass das Gutachten keinen Gehalt habe: "Das stoppt uns nicht – davon gehe ich jetzt mal aus."
Ganz anders argumentiert dagegen Architekt Bernhard Franken aus der Niddastraße. Er sei Planungsexperte und könne daher sagen, dass das Vorhaben rechtlich anfechtbar sei. Mit dem Suchtzentrum würde die Situation ein Ausmaß annehmen, das nicht mit der Rücksichtspflicht vereinbar sei: "Dagegen können wir rechtlich vorgehen, dagegen werden wir rechtlich vorgehen", sagte der Architekt. "Mit Sicherheit werden Sie das einkassiert bekommen", so der Architekt zur Stadträtin.
Sorgen um Lärm und Sicherheit
Ein anderer Anwohner meldete sich, der seit 22 Jahren in der Ottostraße 10 lebe – "direkt neben dem geplanten Crack-Zentrum." Ihn treibe um, dass mit dem Zentrum zusätzliche Unruhe, Lärm und Konfliktpotenzial einhergehen werde; gerade, weil im Innenhof eine Fläche zum Drogenkonsum entstehen soll.
"Unser Balkon und Schlafzimmer liegen direkt zum Hof." Als Tontechniker frage er sich, wie genau der angekündigte Lärm- und Sichtschutz dort funktionieren solle. Der Innenhof sei akustisch ein "Resonanzraum erster Güte."
Ein Anwohner von der gegenüberliegenden Seite der Ottostraße äußerte sich besorgt um die Sicherheit im Viertel. Auf seine Frage, wie Anwohner vor möglicherweise aggressiven Crack-Abhängigen geschützt werden sollten, antwortete Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP): "Indem wir sie in diese Einrichtung verweisen." Von Landes- und Stadtpolizei gebe es die Zusage, dass engmaschig überwacht werden solle. Wiederholt betonten die Dezernentinnen und Vertreter der Drogenhilfe: Ein Konsum auf der Straße werde nicht toleriert.
Kein anderer Standort?
Könnte das Suchthilfezentrum denn nicht woanders hin? Diese Frage kam wiederholt auf. Etwa an einen Standort abseits des Bahnhofsviertels, wo weniger Geschäfte, Hotels und Anwohner sind. Voitl sagte dazu, die Idee finde sie ganz charmant – "aber eben nur auf den ersten Blick." Der Grund: Der Drogenhandel finde im Bahnhofsviertel statt, und die offene Drogenszene halte sich erfahrungsgemäß dort auf. Daher solle es vor Ort Angebote geben, um die Menschen aus der Drogenszene zu bekommen.
Auch wenn es gelingen sollte, die Szene an einen anderen Standort zu führen, werde die Dealerszene nicht mit umziehen. Die offene Szene mache, wenn überhaupt, fünf bis zehn Prozent der Gewinnmarge für die Dealer aus, argumentierte die Gesundheitsdezernentin. "Der Rest geht in die Büro- und Bankentürme, der geht zu denen, die Party machen, der geht dahin, wo Leute am Bahnhof schnell einkaufen und wieder weggehen."
"Es wird nicht so schlimm"
Aus dem Publikum gab es aber nicht nur Kritik: Eine Frau, ebenfalls aus der Niddastraße, sagte, als Bewohnerin begrüße sie die Pläne. Die Drogensüchtigen würden in der Debatte stets als Problem dargestellt. Sie selbst werde als Anwohnerin nicht von Drogensüchtigen belästigt – und das inmitten eines Drogenhotspots des Bahnhofsviertels. "Es sollte weniger dramatisiert werden", sagte sie über die Diskussion.
Eine nach eigenen Angaben Anwohnerin der Drogenhilfe in der Grünen Straße sagte: "Es wird nicht so schlimm." Diese Einrichtung im Ostend sei vor der Eröffnung 2003 ebenfalls auf Widerstand gestoßen, dieser sei danach aber verebbt.
Kopfschütteln, Stöhnen und Zwischenrufe
Nazim Alemdar, Besitzer des bekannten Kiosks "Yok Yok" am Bahnhof, sagte, im Viertel sei schon viel Positives geschehen. Das Suchthilfezentrum halte er für richtig. Ohne einen tolerierten Kleinsthandel mit Drogen in dem Zentrum werde sich, so befürchte er, die Situation auf den Straßen nicht nachhaltig verbessern. Denn dann würden die Abhängigen weiterhin von Straßendealern im Viertel ihre Drogen kaufen. Voitl antwortete, eine Form von Kleinsthandel befürworte sie auch, das sei unter den aktuellen rechtlichen Bedingungen aber nicht umzusetzen.
Das Diskussionsforum verlief trotz hitziger Momente größtenteils ruhig. Gelegentlich gab es bei Aussagen vom Podium Kopfschütteln, Stöhnen oder Zwischenrufe – etwa als ein Anwohner die Verantwortlichen fragte, ob eine oder einer von ihnen im Bahnhofsviertel wohne und selbst von den Bedingungen betroffen sei. Aber Voitl erhielt aus dem Publikum auch Applaus. Mehr als 100 Menschen waren zu dieser Diskussion gekommen. Im Publikum fanden sich auch zahlreiche Frankfurter Lokalpolitiker.
Das soll ins Suchtzentrum kommen
Oliver Müller-Maar, kommissarischer Leiter des Drogenreferats, präsentierte an diesem Abend außerdem einen Querschnitt der Einrichtung. So soll es neben Konsumbereichen auch medizinische, soziale und psychologische Betreuung geben, um die Suchtkranken beim Ausstieg zu unterstützen.
Das Hilfezentrum soll nach jetzigen Plänen Ende 2026 eröffnet werden, sagte Voitl. Vorausgesetzt, das Vorhaben bekomme in der Stadtverordnetenversammlung eine Mehrheit. Und die will Voitl am kommenden Donnerstag (3. Juli) dort erreichen.
- Reporter vor Ort
- Vorherige Berichterstattung
- frankfurt.de: Informationsportal mit Downloads zum geplanten Crack-Suchthilfezentrum, abgerufen am 24. Juni 2025